577
                             Berkach   bei  Groß-Gerau


     Die Befragung fand am 30.7.1943 statt im Saal des schönen klei-
     nen Rathauses.Anwesend  waren die folgenden Gewährsleute.
     a.  Philipp Gütlich, geb. 1865, Landwirt, Vater stammt  aus
          Berkach, Mutter aus Goddelau.
     b.  Magarete Schaffner, geb. Lochmann, geb.1870, Maurers-
          frau, Vater von Gross-Gerau, Mutter aus Rossdorf bei
          Darmstadt, in Gross-Gerau geboren, seit 1887 in Berkach
          lebend.
     c.  Richard Weitz, geb. 14.1.1873, Bäcker, zugleich Gemeinde-
          rechner, Vater aus Hockersdorf  bei Fauerbach in Oberhes-
          sen stammend, Mutter aus Berkach.
     d.  Jakob Hauf, geb.1869 Bauer, Vater aus Berkach, Mutter
          aus Büttelborn stammend.
            Die Befragung wurde durch einen Fliegeralarm unterbrochen, Nach
            dem Alarm kam Frau Magarete  Schaffner nicht mehr. Erst nach
            träglich fand  sich  Herr  Jakob  Hauf  ein, der  aber  wesentliche
            Mitteilungen, insbesondere über die alten Weihnachtsumzüge usw.
            machen konnte.Berkach hatte früher und heute etwa 300 Einwohner.
             
     Kirchweihe: Früher und heute nur Kerb  genannt, liegt auf den Sedans-
     Tag, bez. den Sonntag nach Sedan.
     -Ganz früher, in der frühesten Jugend der alten Gewährs-
     leute, gab es in Berkach nur eine Wirtschaft mit einem
     Saal.Dieser Saal stand noch vor der Zeit unserer  Gewährs-
     leute im Gross-Gerauer Park und wurde dann nach Berkach
     verbracht, steht heute noch.Dann waren in Berkach zwei,
     heute sind hier drei Wirtschaften mit Tanzsälen, Jede
     Wirtschaft hatte früher ihre eigenen Kerweburschen und
     zog mit diesen die Kerb auf.
     -Kerweburschen sind die Jugendlichen von 15 Jahren ab bis
     zur Verheiratung. Unter ihnen spielen die Gemusterten kei-
     ne besondere Rolle.
     Der Anführer der Kerweburschen wurde früher nur Kerwebursch
     genannt, später, wahrscheinlich aber erst nach 1918, er-
     hielt er die Bezeichnung Kerwevadder. Dieser Anführer
     hielt im Kerwezug den Strauss in der Hand und sprach auch
     den Kerwespruch. Sein Strauss war aus Blumen und Bänder
     ohne einen versteifenden Stock gebunden.Er hatt beim Spruch
     den  Strauss in der Hand  gehalten, nimmt  ihn  auch mit  in
     den Saal und behält ihn noch während des  1. Tanzes  in der
     Hand, auch  wenn  für  die  Kerweburschen  ein Solo getanzt
     wird, tanzt der Kerwevadder mit dem Strauss eine Runde vor.
     Er  ist  nicht verkleidet, hat  seine  Sonntagskleider  an  und
     wie alle Kerweburschen eine Schärpe um.
     Früher  haben  sich  auch  mehere Kerweburschen verkleidet,
     z. B. einer mit einer Sense, der andere mit einem Besen, sie
     hatten Larven auf, waren wie die Klowens angezogen,
     sie wurden wahrscheinlich Kerweboijass genannt.
     -Als Kerwezeichen hing  aus der Wirtschaft aussen eine
     Fahne heraus, sie war rot-weiss und trug an der Stock-
     spitze einen Blumenstrauss mit Bändern.Umtragen und Ver-
     losen einer Kerwedecke usw.kam hier nicht vor. 
      
     



                                    578

     Vor der Wirtschaft stand schon immer ein Kerwebaum, der
     am Kerwesamstagabend aufgestellt wird. Ganz früher wur-
     de er im Wald geholt, wurde früher dort heimlich geschla-
     gen, geschah in der Nacht, und heimgeschleift. Meistens
     war es eine Tanne.Strafanträge wurden deswegen manchmal
     gestellt, aber eigentlich nie ernstlich durchgeführt.Man
     holte die Bäume vom Dornheimer–Gemeindewald, Berkach hat
     keinen Wald.Später wurde statt des Baumes eine Floßhandstange
     genommen.Diesen hat sich der Wirt angelegt. Er wurde dann
     alljährlich wieder genommen.Oben an seiner Spitze wurde
     nur noch eine Fahne und darunter ein Kranz angebracht. Der
     Kranz war aus Eichenlaub, Blumen und Bändern.Später wur-
     den ausserdem auch Flaschen angehängt. Kletterei am Baum
     kam nicht vor.
     In der Saalmitte hing kein Kranz, der Saal wurde höchstens
     mit Girlanden geschmückt.
     Das Ausstopfen, Mittragen usw. einer Kerwepuppe ist hier
     nicht bekannt.
     Verlauf der Kerb:
     Wochen vorher kommen bereits die Kerweburschen in ihrer
     Wirtschaft zusammen und beratschlagen über den Verlauf
     der Kerb.eine Kasse haben sie nicht gebildet, jeder hat
     die enstandenen Unkosten getragen.
     Am Kerwesamstag-Abend wurde früher der Baum draussen heim-
     lich geschlagen und still ins Ort geschleift, vor  der Wirt-
     schaft hergerichtet und aufgestellt.Dies war bis um 12 Uhr
     in der Nacht geschehen.Beim  Aufrichten wurden manchmal
     einige Worte in Versform gesprochen.  Für das Aufrichten des
     Baumes hat der Wirt ein Fässchen geben müssen.Vor dem
     Baum im Freien, und auch nicht anschliessend im Saal,. wur-
     de getanzt.Die Burschen zogen darauf in die Wirschaft:
     Die Kerb wurde angesoffen.
     Nach Mitternacht, gegen 1 Uhr etwa ziehen die Burschen mit
     Harmonikamusik vor das Dorf in der Richtung nach Büttel-
     born zu, um die Kerb auszugraben. Dies geschieht an der
     gleichen Stelle, an der sie im Vorjahr vergraben, bez. ver-
     brannt wurde.Es bildet sich zum Holen der Kerb ein Zug,
     aber ohne Fahnenschwinger, nur mit Harmonikamusik, die
     Kerweburschen mit einem Schubkarren, mit Hacke oder Schippe.
     Die Ausgrabungsstelle wurde nicht gesucht, auch nicht das
     Suchen markiert. Man grub an einer Stelle, grub aber nichts
     aus, der Schubkarren wurde wieder leer zurückgefahren. An-
     schliessend tranken die Burschen in der Wirtschaft weiter.
     Der Kewesonntag:
     Mittags stellt sich der Zug auf. Der Zug hatte früher etwa
     die folgende Ordnung:
     Voraus geht ein Bursche, meist als Klown verkleidet, mit
     Zylinder oder Spitzhut, in der Hand einen Reiserbe-
     sen, damit machte er Kehrbewegungen und verschafft da-
     durch dem Zug freie Bahn. Er wurde wahrscheinlich
     Kerweboijass genannt.
     Die eigentliche Zugspitze bildet der Fahnenträger, der
     eine rotweisse Fahne im Takt der Musik schwenkt. Der
     Bursche ist sonntäglich angezogen und trägt, wie alle
     Kerweburschen, eine Schärpe.
     -Nun kommen drei Reiter auf geschmückten Pferden. Der
     mittlere trägt in der Hand einen Strauß. Er hat später
     
     
     

                                 579
     
     Kerwevadder geheissen
     Nun marschiert die Musik.
     -Hinter der Musik gehen drei Burschen, sonntäglich geklei-
     det, tragen weisse Schürzen und in den Händen Weinfla-
     schen mit übergestülpten Gläsern. Sie boten daraus Be-
     kannten und in den Pausen den Musikanten Wein an. Die
     Weinflaschen hat der Wirt ihnen gestellt.
     -Dahinter marschieren die anderen Kerweburschen, alle
     in Sonntagskleidern und mit Schärpen.
     -Früher waren auch schon Wagen im Zug, sie waren ge-
     schmückt und wurden von Pferden gezogen. Auf den Wagen
     wurden Dorfereignisse dargestellt, es kam aber auch
     schon die Altweibermühle vor, der Rasierer usw.
     -Den Zug umsprangen Burschen als Boijasse verkleidet,
     schlugen mit Besen oder Papierklatschen auf die Kinder
     ein, schlugen aber keine Purzelbäume. Es kam auch schon
     vor,dass sie gesammelt haben wie die Handwerksburschen.
     Nach besonderen Darstellungen und Gestalten im Kerwezug ge
     fragt ergab sich folgende Antwort:
     -Siebreiter ist hier ganz unbekannt
     -Kerwerad war hier bereits im Kerwezug gewesen,mehr-
     mals in den 80-er Jahren. Zwei Burschen sassen auf dem
     Rad, sie waren als Klowns verkleidet, hatten Larven auf.
     Das Rad war an beiden Bäumen, auf die man ein Puhl-
     fass lagert, angebracht.
     -Doppelgestalt, Dreibeiniger Bock sind nicht bekannt.
     -achtfüssiger Schimmel trat früher im Weihnachtsumzug
     auf, siehe bei Nickelsgestalt und Christkind.
     Der Zug bewegte sich durch die Ortsstrassen vor die Wohnung
     des Bürgermeisters. Hier wurde vom Hauptkerwebursch, bez.
     dem Kerwevadder, der Kerwespruch gesagt. Dieser war gereimt,
     er wurde pausenlos durchgesprochen, erst am Spruchende Mu-
     sik. In dem Spruch wurden keine Dorfereignisse durchgehechelt.
     Der Spruch wurde nur einmal gesprochen und zwar vom Pferde-
     rücken herab. Dann ging es zur Wirtschaft zurück und der
     Kerwetanz begann.
     -Der Kerwetanz:
     Der 1 Tanz gehörte den Kerweburschen,die erste Runde tanz-
     te der Kerwevadder mit dem Strauss in der Hand allein. Die
     Kerweburschen sind bei diesem 1.Tanz noch verkleidet, dann
     ziehen sie sich um.
     -Man kennt keine strengen Tanzsitten, z.B. wenn ein Mädchen
     einem Burschen einen Tanz abschlägt, diesen Tanz aber mit
     einem anderen Burschen tanzt.
     -An alten Tänzen wurde getanzt: Walzer, Schottisch, Rheinländ-
     der Polka, Polka-Marzurka, Kissentanz (der letzte hat sich
     dünn gemacht),Siehst de net da kimmt er. Unbekannt ist
     der Altkatholische, der Rasierertanz, der Besentanz. Damen-
     walzer (Damenwahl) ist bekannt.
     Der Kerwemontag:
     Die Musikanten spielen vor den Häusern, bez. in den Höfen, den
     Morgensegen. Die Kerweburschen sind dabei, unverkleidet, sie
     heischen dabei nicht, nur die Musikanten bekommen Geld. Dabei
     wird in den Höfen auch getanzt, man wird aber nicht bewirtet.
     Es kam vor, dass zwei Burschen die Wixhäuser Kapelle (eine
     Blindenkapelle, siehe bei Wixhausen) nachgemacht haben und
     dabei Geld gesammelt haben, sie haben gesungen und Ziehhar-
           monika gespielt. Nie kam am Kerwemontag ein Bär, auch sonstige
     Verkleidungen sind hier nicht an diesem Tag bekannt. 

        

     



                                      580
     
     -Gickelschlagen ist hier ganz unbekannt.
     -Preiskegeln kam am Kerwemontag hier schon öfter vor.
     -Fasanenherausschiessen bestimmt einmal um 1910 nach Scheib-
     ben, Preise waren Fasanen vom Gross-Gerauer Park.
     Schubkarrenrennen, Hammelheraus tanzen usw. nicht bekannt.
     -Vor dem Tanz am Nachmittag nochmals ein Umzug  nur noch mit
     Fahnenschwinger, Musik und Kerweburschen zu Fuss, ohne Rei-
     ter und ohne Verkleidungen. Bildete die Einladung zum nun
     beginnenden Tanz.
     -Kerwedienstag wurde nicht gefeiert.
     -Nachkerb war 8 Tage nach der Hauptkerb, nur noch Tanz. Die-
     ser wurde allerdings durch einen einfachen Umzug wie am Ker-
     wemontag eingeleitet.
     Montagmorgen etwa um 4 Uhr wurde die Kerb begraben. In Wirk-
     lichkeit wurde sie verbrannt ! Es bildete sich wieder ein
     Zug, voraus der Fahnenschwinger, die Musikanten waren auch
     noch dabei, die Kerweburschen. Einer unter ihnen trug auf
     der Mistgabel einen Bosen Stroh. Die Kerweburschen trugen
     keine Schärpen mehr, es hatte sich keiner als Pfarrer ver-
     kleidet. Man zog vor das Ort an die Stelle, wo man am Sams-
     tag Abend die Kerb ausgegraben hatte, dort legte man den Bo-
     sen Stroh hin und zündete ihn an. Keine Rede dabei ge-
     halten. Die Musik spielte, alle Burschen greinten. Man tanzte
     nicht um den brennenden Bosen Stroh herum. Es waren mitunter
     auch Mädchen dabei, diese aber sind nicht im Zug mitgezogen.
     Dann Rückmarsch ins Dorf. Die Musik spielt: Muss i denn zum
     Städtchen hinaus. In der Wirtschaft reicht der Wirt den Ker-
     weburschen und Musikanten Quellkartoffel und Schmierkäs.
     Manchmal ist dieses Schlussessen auch im Freien eingenommen
     worden. Das Essen hatte keinen besonderen Namen.
     -Der Kerwebaum blieb bis 8 Tage nach der Nachkerb stehen,
     dann wurde er von den Kerweburschen umgelegt. Der Wirt stif-
     tete ihnen ein Fass Bier, das die Burschen ohne Musik aus-
     tranken. Man nannte diese abschliesende Veranstaltung nicht
     Kerwebraten sondern Freibier.

    Erntebrauch: Rundmähen: ganz unbekannt.
     Wogen des Kornes: ohne besonderen Ausdruck. " Es staabt."
     Letzter Sensenhieb: nicht bekannt.
     Letzte Gabe: ohne Bräuche.
     Letzter Erntewagen: Mitunter wurde er mit einem Strauss
     geschmückt, den man an eine Gabel band. Die Gabel wurde
     oben auf den Wagen gesteckt. Der Strauss bestand aus Gar-
     tenblumen. Man hat ihn bereits zu Hause gerichtet. Manch-
     mal band man auch Ähren zum Strauss zusammen. Ährenkranz
     ist hier nicht bekannt.
     -Nur arme Leute, die wenig Feld hatten,haben in der Jugend
     der alten Leute noch die Frucht mit der Sichel geschnit-
     ten. Alle anderen haben gemäht.
     -Das Erntefest wurde Erntemusik oder Eernkuche genannt.
     -Dreschen. Beim Lernen wurde der Takt nur gezählt. Keine
     Einbindbräuche usw. Am Schluss gab es den Staabwein.
     -Hier wurde früher meist Hanf gepflanzt, keine Bräuche da-
     bei mehr bekannt.




      
       
                                  581
     
      Rübenkopf: Wurde meist aus Kürbis hergestellt, aber auch aus
      Dickwurz. Name dafür ist nicht bekannt, vielleicht
      "Eselschen des Nikeloses"! Er wurde im Freien aufge-
      stellt, aber auch mit der Hand von aussen durchs Fen-
      ster gezeigt, um drinnen in der Stube die Kinder zu er-
      schrecken. Er hatte nie Hörner, trat nie als ganze Ge-
      stalt auf, hatte nur gesichtsförmige Lichtöffnungen.
      Es kam vor, dass er wenn der Nickelos bei den Kindern
      in der Stube war, von aussen durchs Fenster hereinschau-
      te. Man sagte dann angeblich zu den Kindern, dass dies
      dem Nickelos sein Eselchen sei !!
     
     Nickelsgestalt: Wurde früher Belznickel und Nikeloos, heute nur Nik-
     keloos genannt.
     Früher erschien er nur am Weihnachtsabend, erst in neu-
     rer Zeit kommt er auch am Nikolausabend. In der Zwi-
     schenzeit treten keine derartige Gestalten auf.
     Dabei kam es früher vor, dass der Belznickel sich als
     Bär verkleidet hatte, auf allen Vieren in die Stube ge-
     krappelt kam, und von einem Belznickel geführt wurde.
     Es kam auch vor, dass zwei Burschen hierbei einen Esel
     machten, in dem sie sich mit dem Rücken zueinander stell-
     ten. In dieser Stellung band man sie zusammen. Jeder
     bückte sich nach einer Seite zur Erde, darüber warf
     man eine Decke. Der Kopf war eselähnlich mit Hilfe eines
     ausgestopften Wamses hergestellt. Dabei benutzte man
     angeblich keine Holzgabel. Der Schwanz war ein Abschwin-
     ger eines Pferdes. Auf diesem Esel ritt ein dritter Bur-
     sche. Dieser war das Christkind. Dieser Bursche hatte
     sein Hemd über die Hosen gezogen. Er trug eine Larve
     vor dem Gesicht. Häufig kam er als Mann mit weissem Bart.
     Er konnte aber auch als weisse Frau erscheinen. Bur-
     schen mit Hemden über den Hosen als Christkindchen, oder
     als Belznickel verkleidet, waren meist dabei. Einer hat-
     te aus einem Tannenwipfel nach entfernen der Nadeln und
     Abschälen der Rinde sich einen Schellenbaum gemacht. Da-
     mit wurde dieser Weihnachtsumzug angekündigt. Ketten
     waren hier nicht üblich. Gesichtsvermehlungen kamen eben-
     falls hier vor.So war es noch Brauch anfangs der 80-er
     Jahre.
     Wenn man einen Burschen als Belznickel verkleiden woll-
     te, dann setzte man ihm eine Zipfelmütze oder einen Hut
     auf. Man hängte ihm einen Bart an, seine Hände waren
     mitunter geschwärzt. Er kam in alten Kleidern,lumpig,
     auch mitunter als alte Frau angezogen im dunklen Rock,
     Buckel und Bauchausstopfen kamen vor.Nichts war
     angeblich aus Stroh an ihm. Er hatte einen Sack, keine
     Kutte, sondern einen Schellenbaum, er Hatte einen alten
     Stock mitunter auch eine Laterne. Sie haben geheischt,
     aber auch etwas den Kindern mitgebracht, Nüsse Äpfel usw.
     Diese Sachen haben sie angeblich nicht ausgeleert, son-
     dern ausgeteilt. Wie oben berichtet, kam der Belznickel
     oder das Christkind auch auf dem Esel geritten. Das Christ-
     kind war aber meist männlich verkleidet,hatte also ei-
     nen Bart,trotz des übergeworfennen Hemdes. Alle Mitkom-
     enden Burschen waren verkleidet.Sie waren meist 17-18
     Jahre alt,manchmal kamen mehr als 10 solcher Burschen in
     die Stube. Sie haben für ihr Auftreten Geld erhalten, das

     

     


                                  582
      sie noch am gleichen Abend gemeinsam "verläppert" haben.
      Bei ihrem Eintreten in die Stube kam es vor, dass sie sich
      hinfallen lassen. Sie heben sich gegenseitig  wieder auf .
      Die Kinder mussten beten. Bekannt und üblich sind:
       Lieber, Lieber Nickolausmann,
       ich will dir beten, was ich kann.
       E paar alte Schuh, e paar alte Schlappe,
       du sollst dich gleich zur Tür rauspacke. Oder
       -Christkindchen komm in unser Haus.....
      Sie hatten keine Rute bei sich, verlangen auch keinen Stock-
      sprung. Sackstecken bei bösen Kindern kommt vor, aber kein
      Anschwärzen und Anketten.
      Sie tanzten in der Stube untereinander zur Harmonika,
      müssen auch ein Lied singen.
      -Ihre Heimat: Sie kommen aus dem Rathausspeicher, wenn es
      am Weihnachtsabend 8 Uhr läutet, dorthin verschwinden sie
      wieder morgens beim 4 Uhr- Läuten.
     
     Weihnachtsbaum: Zuckerbaum genannt, in der Jugend der alten Leute nur
       in den Häusern, besserer oder kinderreicher Dorfbe-
       wohner, immer stehend in einem Gärtchen,darin Moos
       und Schäfchen, immer mit Lichtern,Unruhen sind nicht
       bekannt, auch nicht der Adventskranz.

     Weihnachtswunder: Kinder haben beim Abendläuten Heu gebunden,jedes
        Kind ein Bündelchen, für den Esel des Christkindes. Den
       Paten haben sie nichts gebracht beim Abendläuten.
       Reden der Tiere,Speisendarbietung,Wasserverwandlung,
       Zwiebelkalender usw. sind hier nicht bekannt.
      
     Dienstbotenwechsel: 3. Weihnachtstag ist der Wandertag für Knechte und
      Mägde. Diese haben ihre Habe in einem Kasten. Kastenrücken
      war hier üblich bei den Mädchen, die nicht wanderten. Mussten
      den Burschen dafür ein Trinkgeld bezahlen. Peitschenknallen
      der Knechte. Mittags auf dem Gross-Gerauer Markt. Dienstbo-
      ten hatten Nachmittagen zwischen Weihnachten und Neu-
      jahr frei für sich = Flickwoche.

    Zwischen den Jahren: Zeitabschnitt wurde auch Flickwoche genannt,da die
      Dienstboten an den Nachmittagen ihr Zeug flicken durften.
      Bekannt war, dass man in dieser Zeit nicht spinnen durfte,
      sonst würden die Läuse hineinkommen, man durfte nicht wa-
      schen, Grund dafür nicht bekannt, man sollte auch nicht ba-
      den, und an diesen Tagen kein frisches Hemd anziehen, sonst
      bekäme man Schwären.
      - In der Jugend der alten Leute gab es noch die Spinnstuben
      In der Pause gingen die Mädchen ins Dorf, es wurde "gelup-
      pert".
    Neujahr: Am Silvesterabend beim Abendleuten wurden die Obstbäume mit
      Strohseilen gebunden, damit sie mehr tragen sollten. Es wur-
      de dabei auch unter den Bäumen geschossen. Baumbinden ver-
      einzelt heute noch Brauch.
      -Die Männer gehen in die Wirtschaft, essen , trinken , spielen
      Karten. Kein Herauskarten von Brezeln usw. Nach 12 Uhr gibt
      der Wirt Freibier. Die Männer gehen zuvor nach Hause und
      bringen sich dazu Wurst mit,das sie nun in der Wirtschaft
      verzehren.


     

     


                                  583

      Frauen kommen zu Hause zusammen bei Glühwein, kein Bleigies-
      sen hier üblich. 
      -Burschen schossen in der Nacht den Verwandten und Mädchen
       das Neujahr an, dabei der übliche Spruch:
       Ich wünsch Euch ein glückseliges neues Jahr,
       Friede, Gesundheit und ein langes Leben,
       und darauf soll es Feuer geben. -Schuss!
     Am nächsten Abend bekamen sie dafür in den Spinnstuben von
     den Mädchen Kaffee, Kuchen und Bratwurst gestiftet. Die Brat-
     würste haben die Burschen den Mädchen dabei mitunter vor-
     zeitig schon abgenommen und gegessen.
     -Auf das Rathaus hatte der Bürgermeister am Silvesterabend
     die Gemeinderäte eingeladen und sie mit Wein, Bier und Essen
     bewirtet. Die Jungverheirateten mussten in dieser Nacht
     Wache gehen.
     -Am Neujahrstag gingen die Buben und Mädchen herum, zu Ver-
     wandten und Bekannten, und sagten das Neujahr an mit den Wor-
     ten:  Prost Neujahr ! Brezel wie e Scheierdohr,
      Lebkuche wie e Oweplatt,
      wern mer all miteinander satt !
      Dafür erhielten sie Brezeln und 20 – Pfennig.
     -Das Hörnerschneiden des Rindviehes durch den Kuhhirten ge-
     schah nicht an einem bestimmten, sondern einem beliebigen
     Tag im Frühjahr, dafür bekam er Eier.-
     -Am Neujahrstag soll man Weisskraut und Kümmel essen,dann
     geht das Geld im neuen Jahr nicht aus, man soll keine Äpfel
     und Nüsse essen, sonst wird man grindig, kein frisches Hemd
     anziehen, sonst bekommt man Schwären.
     -Waldverbot an einem bestimmten Tag im Jahr ist nicht bekannt
    .
    Dreikönig: Ganz ohne Brauch.

    Peterstag: Da kommen die Störche wieder. Sehen die Kinder den 1. Storch
     im Jahr fliegend, dann werden sie fleissig, sehen sie ihn
     sitzend dann werden sie faul, hatt er ein sauberes Feder-
     kleid gibt es ein trockenes Jahr, ein dreckiges, dann wird
     das Jahr nass.
     -Am Peterstag  läutete es auch zum 1. Mal wieder 4 Uhr, da wälger-
     ten sich früher die Kinder auf dem Boden, Grund konnte nicht
     angegeben werden. Brauch schon lange hier erloschen.
     -Am Peterstag wurden früher hier auch die Hühnerställe ge-
     reinigt und gegen Läuse mit Asche bestreut. Ringfüttern aber
     ist hier nicht bekannt.

    Fastnacht: Keinerlei bäuerliche Bräuche hier mehr in Erinnerung.
     Kein besonderes Mittag- und Abendessen. Es werden Kräppel
     gebacken, auch in Randform, angeblich aber ohne Mittel-
     schnitt.
     -Verkleidungen: in der Jugend der alten Leute noch keine Ver-
     kleidungen im Ort. Sie können sich genau an die ersten Ver-
     kleidungen erinnern,können auch noch die Namen der ersten
     Maskierten nennen, geschah erst ab der 80-er Jahre, aber
     Anfangs noch ganz vereinzelt. Man zog dann in kleinen Grup-
     pen, auch mit Wägelchen, wie die Zigeuner (Haarewagen) he-
     rum angeblich dabei kein Sammeln. Aber schon früher, bevor
     Verkleidungen üblich waren,zogen die Kinder herum und bet-
     teten Kräppel. Kein ortsüblicher Heischespruch. Bekannt ist

     
     

     

     
     
                                     584

     aber das Fastnachtslied:
                Wanns Fastnacht ist, da schlacht mei Vadder
                en Bock!.....
                Genauer, ortsüblicher Wortlaut konnte nicht mehr angegeben
                werden.

     Sommertag: Ganz ohne Brauch.

     Palmsonntag: Bereits in der jugend der alten Leute kam das Palmhäs-
       chen und legte den Kindern ein in Zwiebelschalen gekochtes
       Ei. Dieser Brauch soll früher viel verbreiteter hier im
       Ort gewesen sein, als heute. Für das Palmei wurde auch be-
       reits ein Nest gebaut, das man meist bis Ostern stehen
       liess. auch fanden fanden die ersten Eierspiele auf den Wiesen
       statt: Eierwerfen,aber kein Stossen oder Schiebeln. Siehe
       bei Ostern.
     Karwoche: Gründonnerstag isst man grüne Pfannkuchen. Die Gründonners-
       tagseier wurden am Gründonnerstag gegen Bruch gegessen.
       Kein ausbrüten unter der Glucke mit besonderen Eigenschaf-
       ten bekannt. Der Tag wird halb gefeiert.
      
     Ostern:  Schauen in die aufgehende Ostersonne bekannt. Der Gewährs-
       mann d) berichtet, dass sein Vater es einmal beobachtet hät-
       te, wie das Osterlämmchen dreimal um die Sonne herumge-
       flogen sei.Man hätte es eine halbe Stunde lang beobachten
       können. Der Morgen aber muss ganz klar sein. d )selbst hat
       schon oft danach Ausschau gehalten, es bis heute aber noch
       nicht sehen können.Der Brauch kommt also vereinzelt bis
       heute noch vor.
       -Osterwasserschöpfen ebenfalls hier bekannt, muss vor Son-
       nenaufgang geschehen, unberufen. Man holt es an der Pumpe,
       wird an Ostern verbraucht, soll der Gesundheit besonders
       dienlich sein.
       -Ostertau: ganz unbekannt.
       -Der Osterhas legte bereits in der Jugend der alten Leute
       die Ostereier in ein Nest. Das Nest war ein rundes, oben
       offenes Hasengärtchen aus Stöckelchen mit Moos darin, keine
       Lochpflanzen. Es wurden auch  Bogenmuster einfacher Art
       hergestellt, auch legt man die Eier in einen Busch.
       -Eierfärben: In Zwiebelschalen,auch in grünen Saft,den man
       durch Klopfen junger Kornhalme bekommen hat. Krazer vor dem
       Färben des Eies aus Seife machen, dann färben. Leimeier sind
       bekannt,ebenfals Klebeier (Schafgarbe wird hier Schafrippe
       genannt). Wickeleier und in Ameisenhaufen gelegte Eier sind
       hier unbekannt.
       -Eierspiele: Alle Kinder kommen auf der Tuchbleiche zusam-
       men, Buben und Mädchen.Die Eier werden hochweit geworfen,
       man wirft nicht über Bäume, dabei ruft man: Kaputt oder in
       Ranzen! Eierstutzen mit Spielregel von Kindern, kein Eierrol-
       len kein Eierlaufen.
       -Besondere Eier:
       Unglückseier werden rückwärts über das Haus geworfen.Das
       Ei ohne Kalkschale = Schaalei wird verbraucht.
       Das zahnende Kind bekommt ein Ei geschenkt mit einem Spruch.
       Keine Bezeichnung für dieses Ei. Eierketten werden aus Vogel-
       eiern hergestellt und im Zimmer, meist an den Spiegel, ge-
       hängt.
     

     



                                      585

     Maibrauch: Erste Mainacht wird Hexennacht genannt, keine Erinner-
       ungen mehr an das Anschreiben von Kreuzen usw.an die
       Türen, das Auslegen gekreuzter Besen usw. Man sollte
       aber in dieser Nacht nicht an einen Kreuzweg gehen, ge-
       hen und dabei ein Ei in der Tasche haben. Die Hexen,
       die man nicht sehen könnte, würden versuchen, das Ei
       einem in der Hosentasche zu verdrücken. Wenn dies ge-
       schehen sei, hätten sie mit dem Eidotter den betr. Men-
       schen auch das Herz abgedrückt, so dass er sterben
       müsste.
       -Die Burschen machen in der 1. Mainacht oder am 1. Samstag
       auf Sonntag im Mai eine Maitur  in den Wald, dabei wur-
       den Maiblumen usw. gesucht.
       Maienstellen den Mädchen, Mädchenversteigerungen usw.
       sind nicht bekannt.
       -Maibaum wurde nur bei Bürgermeisterwahl gestellt,
       war eine Fichte mit Kranz.    
       -Keine Erinnerung an Laubgestalten im Mai oder an
       Pfingsten, kein Brunnenschmücken usw.
       -Die Kinder stellten im Frühjahr Weidenpfeifen, Schal-
       meien und Fazert aus Rinde her. Ihr Klopfspruch lau-
       tete:
        Saft, Saft,Seide
        hinners Bäckers Weide
        leiht de Hund begrowe,
        fresse alle Rowe,
        fresse alle wilde Schwein,
        Modder gebb mer e Nädelche !
        Was willst de mit dem Nädelche duh?
        Säck pflicke.
        Was willste de mit de Säck du ?
        Stoa lese !
        Was willste mit de Stoa duh ?
        Vögelcher werfe !
        Was willst de mit de Vögelcher du ?
        Brode ! Dass mei Pfeife ganz gut gerode !

     Himmelfahrt: Waldausflüge, Burschen und Mädchen, oft auf Wagen, meist
       nach Gross- Gerau in den Park, dort Tanzmusik. Früher wur-
       den auch Heilkräuter gesucht (d). Es waren dies Pflanzen,
       deren Blättchen dicht über dem Boden lagen. Für Tee bei
       Mensch und Vieh.
     
     Pfingsten: Früher Schulanfang und Konfirmation. Bekannt der Bauern-
       spruch, dass der Bauer an Pfingsten " am wingsten " hat.

     Johannis: Keine Johannisfeuer auch nicht in der Umgebung, nur Feu-
       er früher an Sedan, immer in Gross-Gerau, einmal auch in
       Berkach, aus Wellen.
     
     Jakobstag: Die Kinder bekamen für das Lied: Habt acht auf mich: einen
       6-Pfennig-Weck. Auf der Strasse sangen sie:
        Habt acht auf mich in aller Not,
        gebt mir fürn Kreuzer Käsebrot.

     Gebildbrote: Weihnachten: früher, vereinzelt, Bobben mit gehängelten Ar-
       men. Dass die Buben gebackene Hasen bekamen, nicht mehr
       in Erinnerung. Neujahr: Brezeln. Keine Bubenschenkel usw.


     


     

    586


     Kinder:  Bringt das Boadfrauchen aus dem Bach. Keine Angaben über
              die Nachgeburt.

     Schule:  Zum Schulbeginn ein Weck oder ein Zuckerklumpen, bei der
       Schulprüfung: Weck, zur Schulentlassung: Nichts.

     Burschung: Keinerlei Bräuche bekannt, bei Vereinen Einstand bezahlen.
       Fremder Bursche, der sich ein Mädchen aus dem Ort holen
       wollte, musste bezahlen, sonst bekam er Hiebe.
     
     Musterung: In Gross-Gerau, zu Fuss wurde hinmarschiert, anschliessend
      Umzug im Ort mit Fahnenschwinger, Eier wurden gesammelt, die
      sich die Burschen dann in der Wirtschaft backen liessen, die
      Mädchen bekamen die schönsten Bandschlüpp geschenkt.
      Beim Umzug im Ort hatten die Burschen ein Fass Bier im
      Drückkarren bei sich und boten den Bewohnern daraus an.
     
     Verlobung: Verlobung unter diesem Namen mit Ringwechsel bereits in der
      Jugend der alten Leute. Keine Bräuche mit dem Aushang des
      Standesamtes.
      Die Braut war schwarz gekleidet, trug einen Kranz und ein
      Sträusschen an der Brust.
      Donnerstags vor der Hochzeit, die Sonntags stattfand, zog
      die Braut mit ihrer Habe im geschmückten Wagen um. War die
      Braut aus einem anderen Ort, wurde dieser Wagen gehemmt.
      Das Gotekissen ist hier nicht bekannt.
      Beim Kirchgang am Sonntag wurde früher geschossen, in neu-
      er Zeit wird auch gehemmt.
      Nacht um etwa 12 Uhr wurde der Braut der Schuh gestohlen.
      Burschen versuchten dies zu tun, der Hochzeiter musste ihn
      zurückkaufen. Dann wurde der Schuh mit einem Glas Wein im
      Schuh an alle herumgereicht. Abkränzen nicht bekannt.
      Die Köchin sammelt, da sie sich den Arm verbrannt hat.
      Nachts werden die Hochzeitsgeschenke mit einem Spruch über-
      reicht.
     
     Tod: Ankündigung, wenn das Käuzchen ruft, bei weissen Rübenblatt,
      wenn der Maulwurf unter der Dachtraufe hochstösst.
      Leichenschmaus wurde Flannerts genannt. Flannertskuchen war
      ein trockener Kuchen mit Verzierungen durch Messerschnitte
      darauf: Längslinien, Blumen, Diagonallinien und gewürfelt.

     Tracht: In der Jugend der alten Leute trugen die alten Frauen noch
      weisse Käppchen,Name nicht bekannt. Auch Saimagen=Schlaf-
      haube, oder Strohhüte. Beim Abendmahl trugen Die Frauen
      weisse Hauben.
      -Männer trugen Zylinder, deren Haare man gegen den Strich
      büstete, Sie hatten lange, blaue Kirchenröcke an, lange Ho-
      sen und Stalltüren
     
     Steinsetzer Sie setzten die Steine in Werktagskleidung. Nur unter be-
      sondere Steine kamen Unterlagen, die geheim waren.Die Un-
      terlagen waren Schieferstücke mit den darauf geschriebenen
      Namen der Feldgeschworenen.
     
     
       
     
    Originale = Hessisches Staatsarchiv Darmstadt O61 Dr. Winter
                        Starkenburg Band 4.

    Aufbereitung: Alfred Stieglitz

 

Eberhard Strauß und Alfred Stieglitz entdeckten im Hessischen Staatsarchiv in Darmstadt ein Dokument das unsere lückenhafte Ortsgeschichte um ein sehr interessantes Segment erweitert.

Es handelt sich um das Ergebnis einer Befragung, die offensichtlich dem Zweck diente, die Sitten und Bräuche in Berkach nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Drei, der bei der Befragung anwesenden Personen, sind auf der folgenden Abbildung zu sehen:


(Klicken Sie das Bild an um es in voller Größe zu sehen)

Bei der Aufbereitung des, z.T. kaum lesbaren Dokumentes wurde vor allem Wert auf die detailgetreue Wiedergabe, des im Original mit Schreibmaschine verfaßten Textes gelegt (je nach Einstellung der Schriftgröße Ihres Browsers können sich evtl. einige Zeilenumbrüche verschieben).


    Das Dokument

Brauchtum
Home
Die Anwesenden
Zur Hauptseite